Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Weggefährt/innen,

„alles hat seine Zeit“. Auch mein Dienst hier in der Kulturkirche. 

Dies ist mein letzter Monatszettel, den ich in meiner Funktion als Leiterin und Geschäftsführerin der Kulturkirche St. Stephani Bremen schreibe. Zum 1. April 2024 werde ich eine neue Herausforderung in der Evangelischen Kirche der Pfalz [Protestantische Landeskirche] antreten. 

Fast 10 Jahre habe ich mit Ihnen und für Sie an St. Stephani als Kulturpastorin gewirkt. Für die erfüllte Zeit an der Kulturkirche danke ich von ganzem Herzen allen Menschen, die mich begleitet, unterstützt und immer bereichert haben.

Ein Neubeginn enthält neben der Vorfreude auf Kommendes immer auch einen Moment für einen Rückblick. Und so blicke ich zurück – nicht ganz ohne Wehmut – aber vor allem voller Dankbarkeit auf eine reiche Zeit. Eine enorme Zahl an Besucher/-innen, Künstler/-innen aller Genres, Akteure aus Wissenschaft, Kultur, Theologie, Philosophie und Kirche, aus Stadt und Land, und viele ehrenamtlich Engagierte haben mit Ihnen und mir inspirierende Erfahrungen geteilt: herausragende Kunstausstellungen, hochkarätige Konzerte, rege und engagiert geführte Diskussionen an den Schnittstellen von Kunst, städtischer Gemeinschaft, Politik, Bildung sowie – natürlich – Religion. Oft leuchtete in den verschiedenen Sprachen der Kunst das Eigentliche des Menschseins auf, und bei allem haben wir Gott und der Welt in St. Stephani nachgespürt und gemeinsam tiefgehende und berührende geistliche Lebensmomente erfahren. Im ständigen Dialog zwischen christlichem Glauben und autonomen Künsten konnten wir um Fragen und Antworten zu den existenziellen Themen des Lebens ringen. Wir haben eine stete Schärfung unseres Selbstverständnisses im Austausch mit anderen Religionen und kulturellen Traditionen erlebt, gemeinsam Routinen und vermeintliche Gewissheiten hinterfragt, unser Tun und Denken im Spiegel von Religion, Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft reflektiert. Und wir haben uns offen selbst befragt: [Wie] Ist der Geist des Evangeliums in unserem Wirken und Glauben präsent?

Ein solcher kontinuierlicher, aufrichtig geführter, qualitativ wertvoller Kulturdialog lebte vor allem von dem Vertrauen, das Sie unserer Kulturkirche St. Stephani Bremen entgegengebracht haben. Auch dafür danke ich Ihnen persönlich und im Namen der Kulturkirche von Herzen!

Während anderswo gesellschaftliche Institutionen und Akteure – auch Kirchen – Vertrauen verlieren, hat die Kulturkirche in Bremen mit ihren vielen Ehrenamtlichen, Akteuren und Besucher/-innen einen festen, anerkannten Platz in der Stadt und ihrer Gegenwartskultur. Gerade in unseren Tagen, da Zwietracht, Hass, Krieg und Barbarei sich über den Erdball verbreiten, sind solche traditionsreichen Begegnungsorte für ­Dialog, Auseinandersetzung und Spiritualität existenziell. Als Gegenpol zu Simplifizierung und Abgrenzung eröffnen sie Perspektiven und geben Zeugnis von der unverbrüchlichen Liebe und Zugewandtheit Gottes, die allen Menschen gilt.

Unsere Bremer Kulturkirche ist ein Resonanzraum, in dem Menschen mit ihren Haltungen und Werken, Sehnsüchten und Träumen, Ängsten und Beschädigungen, Freuden und Inspirationen verlässlich Raum finden. Hier wird Neues in den vielen Sprachen der Kultur angestoßen, werden Fragen formuliert, Utopien entwickelt, hier wird Sinn gesucht, gefunden und gestiftet.

Getragen wurde dieser besondere Geist an diesem Ort in den letzten 10 Jahren, die ich begleitet habe, von einem engagierten Team von Hauptamtlichen und etwa 100 ehrenamtlich Engagierten – in Beirat, Präsenzdienst, Förderkreis Kirchenmusik, Kunstausschuss, Veranstaltungsbegleitung, Öffentlichkeitsarbeit, Haustechnik und im noch jungen Förderverein Kulturkirche St. Stephani Bremen. Ein derart breites Engagement wächst nur dort, wo Mitarbeit Sinn und Zufriedenheit stiftet. Das haben wir gemeinsam erlebt und dafür bin ich sehr dankbar. Kunst und Kultur und Gottes Geist gemeinsam mit anderen zu erfahren, zu sehen, wie andere davon bewegt werden – das bereitet auch schlichtweg Freude.
In unzähligen Gesprächen und Rückmeldungen wurde das in den letzten Jahren deutlich. Dies zusammen ist ein Schatz, der uns alle – die Bremische Evangelische Kirche, die Stadt Bremen – die Künste, unser Denken und unser Miteinander bereichert. Beinahe wäre dieser Schatz aufgegeben und wären zahlreiche Menschen enttäuscht worden. Bremen hätte einen besonderen Ort verloren. Mir selbst hätte dies großen Schmerz bereitet. Es war eine wegweisende Entscheidung des Kirchentags, seine Kulturkirche für seine Stadt und ihre Bürger/-innen zu erhalten.

Das Amt der Kulturpastorin habe ich an St. Stephani mit Herz und Kopf und Hand, mit Lust und Freude und mit Gottes Hilfe ausgeübt – es war eine schöne und anspruchsvolle und mitunter auch herausfordernde Aufgabe. Die Erinnerung an ungezählte Glücksmomente, Gänsehauterlebnisse und Freudentränen und an die bereichernden Begegnungen mit Ihnen wird mir noch lange Balsam sein und Kraft geben. Diese Kraft nehme ich mit, wenn ich nun die neue Aufgabe in der Pfalz beginne.
Was für mich hier immer tragend und unaufgebbar war, wird mich auch weiter als Motto begleiten: im Namen Gottes im Dienst der Menschen zu stehen.

Ich wünsche Ihnen, uns und ganz Bremen, dass die Kulturkirche St. Stephani auch künftig mit Gottes Segen ein sich stets erneuernder kultureller Fixpunkt mit Strahlkraft auf die Stadt ist; der Anstöße gibt, Entwicklungsprozesse initiiert, das Einander-Verstehen fördert, Begegnungen ermöglicht; und der dabei unter dem Segen Gottes Freude am Leben verbreitet!

Um diesen Wunsch Ausdruck zu verleihen, feiern wir auf Initiative von Uli Beckerhoff, dem langjährigen Leiter der Jazzahead, in der Kulturkirche am 15. März 2024 einen großen Benefiz-Abend zum Erhalt der ­kulturellen Arbeit der Kulturkirche mit wunderbaren Künstler/-innen, mit Musik und Literatur.
Dabei wird für mich die Gelegenheit sein, mich auch noch von Ihnen und euch allen zu verabschieden.

Bleiben Sie behütet.

Porträt von Diemut Meyer

Pastorin Diemut Meyer, Leitung der Kulturkirche